Wie geht’s dem Handwerk in Lippe?

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Gespräch der CDU-Kreisvorsitzenden Kerstin Vieregge mit der Kreishandwerkerschaft

Kreis Lippe. Wie geht es den lippischen Handwerkern? Das wollte die CDU-Kreisvorsitzende Kerstin Vieregge aus erster Hand erfahren. Bei ihrem Besuch in der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe in Detmold bat sie den Hauptgeschäftsführer Peter Gödde (58) sowie seine Stellvertreterin, die Juristin Andrea Hegerbekermeier um einen Erfahrungsaustausch. Gödde, ebenfalls von Hause aus Jurist, betreut mit dem Team der Kreishandwerkerschaft lippeweit rund tausend Handwerksbetriebe vom Ein Mann-Unternehmen bis zum Mittelständler.
Die lippischen Handwerker, vom Friseur bis zum KFZ-Betrieb, sind eine tragende Säule der regionalen Wirtschaft, ist Kerstin Vieregge überzeugt und erkundigte sich als erstes nach dem Nachwuchs im Handwerk. Vieregge: „Wie ist es um den lippischen Ausbildungsmarkt bestellt“? Damit sprach die CDU-Kreisvorsitzende gleich ein derzeit in der Kreishandwerkerschaft heiß diskutiertes Thema an. Seit Jahren, so Gödde, verzeichne das Handwerk stetig sinkende Ausbildungszahlen, vor allem in kleineren Betrieben bei einem gleichzeitigen „Run“ auf die akademische Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten. Gödde: „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Es gibt mittlerweile 18.000 verschiedene Bachelor-Studiengänge, aber lediglich rund 320 Ausbildungsberufe“.

Zudem unterliege die Ausbildungslandschaft Lippe seit dem Bau eines zentralen, in Bielefeld ansässigen IHK-Bildungscampus einem enormen Wandel. „Wie hat sich die Inbetriebnahme auf Lippe ausgewirkt und vor welche Probleme stellt dies gerade die kleineren Betriebe“, wollte Kerstin Vieregge weiterhin wissen und erfuhr, dass die Kreishandwerkschaft aktuell daran arbeitet, die überbetriebliche Ausbildung zumindest in den vier Gewerken, die die stärksten Azubi-Zahlen aufweisen, vor Ort in Lippe zu halten. Gödde: „Wir haben aktuell einen Antrag gestellt, die Ausbildung im Baugewerbe sowie bei Maler, Tischler und im KFZ-Bereich selbst als Träger für Lippe zu übernehmen. Unser Ziel ist es, die Wege für die Azubis kurz zu halten – ein aus unserer Sicht wichtiges Entscheidungskriterium für die Berufswahl“. Wunschtermin für die Übernahme der überbetrieblichen Ausbildung in den genannten Bereichen, die bislang alleinig bei der Handwerkskammer liegt, sei das kommende Ausbildungsjahr mit Start im August. Ort und Ausstattung des Ausbildungszentrums zu etablieren, sei noch „eine Hausaufgabe für die Kreishandwerkerschaft“, so Gödde.

Dass die lippischen Ausbildungsbetriebe hinter diesem Vorstoß ihrer Kreishandwerkerschaft stehen und sich eine ortsnahe Versorgung ihrer Auszubildenden wünschten, zeige der Rücklauf einer Befragungsaktion. „Achtzig Prozent der angeschriebenen Betriebe antworteten. Das ist eine an sich schon bemerkenswerte Zahl und von ihnen sprachen sich fast einhundert Prozent für den Verbleib der Ausbildung in Lippe aus“, so Gödde, der zu der Ausbildungssituation in den Gewerken Elektro und Metall ganz klar sagt: „Da ist für Lippe der Zug abgefahren“.
Auf die Frage Vieregges „wie andere Kreise eine solche Herausforderung handhaben“, betonte Gödde, die Sondersituation Lippes: „Andere Kreise haben das Problem nicht, dass die Ausbildung sozusagen ‚außerhäusig‘ erfolgt“.

Sinkende Ausbildungszahlen – dagegen steuert die Kreishandwerkerschaft seit Herbst letzten Jahres mit der mobilen Werbekampagne „Komm wie du bist“ vor Ort in Schulen und Betrieben. Ein Bus mit Werbematerial, einer Foto-Box für Klassen-Selfie-Fotos und einer einfachen Möglichkeit zur Online-Bewerbung mit Direktkontakt zu Betrieben ist in Lippe unterwegs. „Wie wird diese Initiative der Kreishandwerkerschaft von den Jugendlichen angenommen“, erkundigte sich Vieregge nach dem Erfolg der Kampagne. „Das Interesse bei den Jugendlichen ist groß. Bei unseren Betrieben allerdings müssen wir noch ein bisschen für diese Werbeplattform ‚trommeln“, erklärte Gödde, der die Kampagne auf mindestens fünf Jahre Laufzeit konzipierte. Als interessanten Aspekt in diesem Zusammenhang sieht Gödde die Motivation junger Handwerksmeister: „Die Selbständigkeit scheint hier nicht mehr das erste Ziel zu sein“. Während früher rund siebzig Prozent der jungen Meisterschul-Absolventen in die eigene Existenz gingen, sei  es heute weniger als die Hälfte.
Im Zusammenhang mit der Ausbildung wünscht sich Gödde eine engere Zusammenarbeit mit den Hochschulen. „Ich denke an die Studienabbrecher – ein Tabu-Thema der Hochschulen. Im Durchschnitt sind das 37 Prozent der Studenten, in einigen Studienfächern sogar 60 Prozent“. Er wünsche sich, dass die akademischen Lehranstalten, bei diesen jungen Menschen Werbung für den „Karriereplan B“, der Berufsausbildung im Handwerk machen. Gödde: „Das alte Denken – je länger die Ausbildung dauert, umso besser – ist nicht mehr zeitgemäß. Ich sehe einen Bachelor-Abschluss gleichwertig mit einem Meister-Brief. Ganz allgemein müssen wir die Bildungsinfrastruktur in Lippe breit aufstellen“. Er sieht Nachbesserungsbedarf im Bereich der privaten und öffentlichen Bildungsträger. „Dass ein Kreis hier selbst aktiv wird, wie der Kreis Lippe, ist eher ungewöhnlich. Wir werden als Kreishandwerkerschaft hier selbst aktiv werden“, konstatierte Gödde.
Ein Thema, das der CDU-Kreisvorsitzenden Kerstin Vieregge sehr am Herzen liegt, ist der Bürokratieabbau. Vieregge: „Gibt es Nachteile für das Handwerk durch organisatorische Auflagen beispielsweise in Sachen Mindestlohn?“ Dazu erklärte Gödde: „Ich kann hier für das Handwerk leider keine Entwarnung geben“. Die Dokumentationspflicht sei erheblich. Im Bereich Arbeitssicherheit habe die Kreishandwerkerschaft für die ihr angeschlossenen Betriebe gute Dienstleistungen etabliert, denn – so Gödde: „Früher war ein Betrieb ab fünfzig Mitarbeitern zur entsprechenden Dokumentation verpflichtet; heute sogar jeder kleine Frisör-Salon. Bei Themen wie Ladungssicherung, Erste Hilfe, Gefährdungsnachweise versuchen wir den Aufwand für den Handwerker möglichst schmal und günstig zu halten, indem wir ihm die Dokumentationsprozesse weitestgehend abnehmen, mindestens dabei helfen“.
Ein weiteres Thema sei die „Schwarzarbeit“, teilte die stellvertretende Geschäftsführerin Andrea Hegerbekermeier mit. „Die Vorgehensweise bei den sogenannten Bußgeld- und Handwerksunterlassungsverfahren, für die nicht die Kreishandwerkerschaft, sondern die Handwerkskammer und die Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden zuständig sind, wird von den Handwerksbetrieben als zutiefst ungerecht empfunden“, konstatierte die Juristin. Beschwerden nähmen zu. Derzeit käme es wöchentlich zu entsprechenden Hinweisen, aber es passiert nichts. „Das ist ein Thema, mit dem wir nicht zufrieden sind“, so Hegerbekermeier. Sie wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden.
Diesen sowie die anderen Hinweise nahm die CDU-Kreisvorsitzende gern auf und versprach: „Ich arbeite im Rahmen meiner Möglichkeiten daran, dem Handwerk in Lippe den sprichwörtlichen Goldenen Boden zu schaffen“.

Bild- und Textquelle: CDU Lippe