„Fahrendes Klassenzimmer“ der Bezirksregierung

Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl (3. von links) und Schulabteilungsleiter Michael Uhlich von der Bezirksregierung (links) haben zum Ende des ersten Einsatzjahres des Schulmobils Bilanz gezogen. Über die Unterrichtspraxis berichtet haben (von links) Detlef Schubert, Koordinator Dr. Ulrich Voigt, Bettina Büscher, Uli Wassmann und Felix Schäkel.

Bilanz: Schulmobil ist Erfolgsmodell

Detmold. Noch eine Kirmes, dann geht das Schulmobil ins Winterquartier. Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl hat am Mittwoch, 29. November, bei der Andreasmesse in Detmold den letzten Einsatz des „fahrenden Klassenzimmers“ in diesem Jahr genutzt, um Bilanz zu ziehen. Das Ergebnis: Das Schulmobil ist ein Erfolgsmodell. Auch im kommenden Jahr kommt es wieder zum Einsatz.

Kirmes – das ist für viele eine willkommene Abwechslung. Autoscooter, Zuckerwatte und Paradiesapfel versprechen Spaß und Unterhaltung. Anders für die Schaustellerfamilien: Für sie ist der bunte Rummel Alltag. Und im Alltag muss man auch zur Schule gehen.

Das Problem: Beinahe jede Woche steht der Campingwagen in einer neuen Stadt. Die Lösung: Zum einen bekommen Schaustellerkinder Unterricht in Schulen vor Ort. Zum anderen gibt es das Schulmobil der Bezirksregierung. Immer wenn die Kinder mittags aus der Stützpunktschule kommen, steht der Caravan für vier Stunden mit zusätzlichen Lernangeboten und Förderung bereit: Von halb zwei bis halb fünf ist Schulmobilzeit.

An 14 Standorten in ganz Ostwestfalen-Lippe war das „fahrende Klassenzimmer“ in diesem Jahr im Einsatz – von Minden über Gütersloh bis Warburg. Vier bis acht Tage ist das Mobil vor Ort, je nach Dauer des Volksfestes. 61 Schülerinnen und Schüler haben 2017 in dem Gefährt die Schulbank gedrückt.

Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl informierte sich im Gespräch mit Bereichslehrkräften und Lernbegleitern in Detmold darüber, wie das besondere Angebot bei Schülern und Eltern ankommt. Ihr Fazit: „Das Schulmobil hat sich bewährt. Es leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Bildungslaufbahn der Schaustellerkinder nicht durch den häufigen Standortwechsel unterbrochen wird“, sagte die Regierungspräsidentin.

Schulabteilungsleiter Michael Uhlich von der Bezirksregierung ergänzte: „Das Angebot wurde durchgängig von den Schaustellerkindern gern genutzt. Die Rückmeldungen der Familien waren durchweg positiv. Wir werden das Mobil daher an voraussichtlich 15 Standorten im kommenden Jahr einsetzen.“ Dr. Ulrich Voigt ist bei der Bezirksregierung zuständig für die Koordination der schulischen Förderung von Kindern beruflich Reisender. Er sagte: „Mit dem Einsatz des Schulmobils kann die Bezirksregierung Detmold die Beschulung reisender Kinder und Jugendlicher jetzt noch weiter intensivieren und professionalisieren.“

Mobil ist zentraler Anlaufpunkt

Das Schulmobil wird als Kooperationsprojekt der Bezirksregierung Detmold und des Trägervereins „Bildungsnetz Förderung: Individuell“ (www.bfiev.de) seit 2016 betrieben. Die Bezirksregierung stellt mit den Bereichslehrkräften das Personal. Der Verein tankt, pflegt und wartet das Fahrzeug. Bei dem „fahrenden Klassenzimmer“ handelt es sich um ein Wohnmobil, in dem sechs Schülerarbeitsplätze eingerichtet wurden und in dem viele Lern- und Arbeitsmaterialien zur Verfügung stehen.

Das Mobil ist zentraler Anlaufpunkt für Schaustellerkinder. Es steht auf den Plätzen der Volksfeste in direkter Nähe zu den Unterkünften. Der Caravan dient auch dazu, den Bereichslehrern der Schaustellerkinder die Arbeit zu erleichtern. Denn zuvor hatten sich diese Lehrer sozusagen von Wohnwagen zu Wohnwagen vorgearbeitet, da es keine Möglichkeit für alle gab, gemeinsam zu lernen.

Fünf Bereichslehrkräfte begleiten die Schaustellerkinder bei ihrem Besuch der Stützpunktschulen und im Schulmobil. Sie unterstützen die Kinder mit vielfältigen Maßnahmen. Dazu zählen:

·         die Optimierung der aktiven Lernzeit in den Schulen vor Ort durch intensive Unterrichtsvorbereitung und inhaltliche Nachbereitung,

·         die individuelle Förderung durch Lernstanddiagnostik, Förderpläne, Fördermaßnahmen und Sprachförderung,

·         die Hausaufgabenbegleitung, Aufarbeitung, Nachbereitung und Prüfungsvorbereitung,

·         die Lernprozessbegleitung durch Rückkopplung und Kontaktpflege zu Lehrkräften der Schulen vor Ort (Stützpunktschulen) und

·         die Einbindung sonderpädagogischer Fachexpertise.

Die Mitarbeiter bieten außerdem Beratungen für Eltern, Schullaufbahnberatungen und unterstützende Gespräche zwischen Lehrpersonen, Bereichslehrkräften und Eltern an.

Zum Hintergrund: Leben und Lernen auf der Reise

Etwa 6.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland wechseln jede Woche die Schule, weil ihre Eltern als beruflich Reisende unterwegs sind: als Schausteller, reisende Handwerker, als Binnenschiffer oder als Artisten im Zirkus.

Während der Reisezeit werden die Schülerinnen und Schüler in Stützpunktschulen unterrichtet. Nicht selten mehr als 30 verschiedene Schulen in allen Bundesländern und dem benachbarten Ausland besuchen die Schülerinnen und Schüler während dieser Zeit. Die tatsächlich zur Verfügung stehende Lernzeit reduziert sich dabei häufig auf deutlich unter 50 Prozent der Lernzeit, die anderen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung steht.

In Ostwestfalen-Lippe leben aktuell circa 110 Kinder und Jugendliche aus beruflich reisenden Familien. Sie besuchen im Winter ihre Stammschulen (Schulen, an denen die Schüler gemeldet sind). Während der Reisezeit (Mitte Februar bis Ende November) wechseln circa 300 Schülerinnen und Schüler in OWL die Schule.

Die schulische Förderung der reisenden Schülerinnen und Schüler erfolgt in den Stamm- und Stützpunktschulen (auf der Reise) sowie durch die Bereichslehrkräfte vor Ort, denen in diesem Unterstützungssystem eine besondere Bedeutung zukommt. In den meisten Bundesländern sind Bereichslehrkräfte mit der Förderung und Beratung der Kinder beruflich Reisender beauftragt. In festgelegten regionalen Bereichen nehmen sie ihre Aufgaben für die schulische Bildung reisender Kinder und Jugendlicher wahr. Sie unterstützen den Schulbesuch der reisenden Kinder gemäß dem von der Kultusminister-Länderkonferenz erarbeiteten Konzept.

Weitere Informationen: www.schule-unterwegs.de

Bild- und Textquelle:  Bezirksregierung Detmold