10 Jahre Theaterprojekt für arbeitslose Jugendliche

Noch laufen die Proben für die große Premiere im März – (vorne v.l.) Sebastian Dülberg, Bewerbungstrainerin Antje Bonn, Henning Matthes, Geschäftsführer des Netzwerk Lippe Thomas Jeckel beobachten den Theaterpädagogen Gunther Möllmann bei seiner Arbeit mit den Teilnehmern (v.l. auf der Bühne) Cindy Horstholte, Rene Opitz, Jennifer Schröder und Chevy Jocker

Noch laufen die Proben für die große Premiere im März – (vorne v.l.) Sebastian Dülberg, Bewerbungstrainerin Antje Bonn, Henning Matthes, Geschäftsführer des Netzwerk Lippe Thomas Jeckel beobachten den Theaterpädagogen Gunther Möllmann bei seiner Arbeit mit den Teilnehmern (v.l. auf der Bühne) Cindy Horstholte, Rene Opitz, Jennifer Schröder und Chevy Jocker

Von der Bühne in die Ausbildung

Lippe. Sie waren Zeitreisende, Patienten einer psychiatrischen Klinik oder griechische Götter – seit zehn Jahre bringen Jugendliche beim Theaterprojekt des Jobcenters Lippe spannende Geschichten und fantasievolle Figuren auf die Bühne. Was dem Zuschauer viel Spaß bringt, hat einen ernsten Hintergrund: Alle Teilnehmer des Projekts sind arbeitslose Kunden des Jobcenters. Ihnen wird mit „Theater macht Arbeit“ durch Theaterpädagogik geholfen, sich beruflich zu orientieren und einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden.

Rund 180 Jugendliche haben das Theaterprojekt in der gesamten Zeit durchlaufen – und das überwiegend mit sehr guten Erfolg. Über 75 Prozent der Teilnehmer haben danach einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden. „Im Vergleich zu anderen Angeboten für Jugendliche ist dies eine sehr hohe Quote. Besonders bestärkt uns aber der nachhaltige Erfolg“, erklärt Jobcenter-Vorstand Henning Matthes. Die ehemaligen Teilnehmer halten überdurchschnittlich häufig die angefangene Ausbildung durch, sind langfristig beschäftigt oder verfolgen erfolgreich einen höheren Bildungsabschluss. „Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Theaterspielen nicht nur ein kurzfristiger Spaß ist, sondern die Persönlichkeiten der Jugendlichen nachhaltig prägt“, so Matthes.

Das Jobcenter Lippe war gerade mal ein Jahr alt, als es 2006 zum ersten Mal das Theaterprojekt anbot. Dies tat es in Kooperation mit der Projektfabrik aus Witten, die für das Konzept vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem „Förderpreis Jugend in Arbeit“ ausgezeichnet wurde. Trotzdem stand die Finanzierung mehrmals auf wackeligen Füßen, da die Förderbedingungen durch das Bundesministerium sich änderten. Angesichts des Erfolgs bemühte das Jobcenter Lippe sich jedoch jedes Mal, das Projekt fortzuführen – wenn auch mit wechselnden Partnern. Seit drei Jahren stehen mit der Projektfabrik und dem Netzwerk Lippe zwei erfahrende Kooperationspartner an der Seite des Jobcenters.

„Theater und Jobcenter, das hat für mich zuerst überhaupt nicht zusammengehört“, sagt Waldemar (25), einer von 14 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aktuell teilnehmen. „Das Projekt ist so ungewöhnlich, dass es nicht für jeden etwas ist“, bestätigt auch Harald Reitemeier, Mitarbeiter des Jobcenters, der seit Jahren Teilnehmer betreut. „Letztendlich ist es mein Bauchgefühl, das entscheidet, welcher meiner Kunden gut geeignet ist“, so Reitemeier. Potential und Kreativität müssten die Kandidaten schon mitbringen und die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen. Aber: Diese Eigenschaften können auch unter der Oberfläche verborgen sein. „Das ist gerade das besondere an ‚Theater macht Arbeit‘. Hier wird etwas ausgegraben, von dem viele noch nicht einmal wissen, dass sie es in sich haben. In der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit machen einige Teilnehmer eine enorme Wandlung mit.“ Bei anderen seien es eher kleinere Veränderungen, die aber letztendlich den Ausschlag bei Bewerbungen und Vorstellungsgespräche bringen können, erzählt Reitemeier. Doch nicht nur an der Persönlichkeit wird gearbeitet. Zeitgleich unterstützen die Sozialpädagogen des Netzwerkes Lippe die Teilnehmer bei der beruflichen Orientierung und dem Bewerbungsprozess.

Einer, für den das Theaterprojekt die entscheidende Wende brachte, ist Sebastian Dülberg. Der heute 25-Jährige verkörperte 2014 als Göttervater Zeus eine der Hauptrollen. Als jemand, der – wie er sagt – „eher von der introvertierten Schiene“ komme, hat er durch das Theaterspielen in der Gruppe gelernt, freier und offener im Kontakt mit anderen Menschen zu sein. „Ich musste immer wieder über meine Grenzen hinausgehen und auch peinliche Sachen machen, egal was die anderen dachten“, erzählt Dülberg. Das stärkte sein Selbstvertrauen und Auftreten so sehr, dass er nach mehreren Ausbildungsversuchen durch „Theater macht Arbeit“ einen Ausbildungsplatz fand und heute im zweiten Lehrjahr ist.

Auch Waldemar aus der aktuellen Teilnehmergruppe hat seine anfängliche Skepsis überwunden. „Im Vorstellungsgespräch oder im Job kommt es nicht nur darauf an, was man kann, sondern auch wie man es rüberbringt mit Körpersprache und Stimme und das lernen wir hier“, zieht er sein persönliches Fazit aus den letzten fünf Monaten. Außerdem sei er vor Vorstellungsgesprächen nun weniger nervös: „Wenn ich vor 200 Leuten auf der Bühne sprechen kann, dann sind zwei oder vier Personen nur noch ein Klacks.“

Bild- und Textquelle: Jobcenter Lippe