Wie radikalisieren sich Jugendliche? Islamwissenschaftler informiert Fachpublikum

 

Auf Einladung von Sascha Schmittutz (NRWeltoffen Kreis Lippe) referierte Dr. Ali Özgür Özdil (links) aus Hamburg über Radikalisierungsmechanismen bei Jugendlichen.

Eingereist über die türkisch-syrische Grenze, als Kämpfer für den IS oder Ehefrau eines Terroristen: Auch aus dem Raum Ostwestfalen-Lippe kommt es vereinzelt dazu, dass sich junge Menschen soweit radikalisieren, aus Deutschland ausreisen und sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ anschließen wollen. Welche Gründe dahinter stehen, dass Jugendliche sich für Themen wie IS, Islamismus und Salafismus begeistern und radikalisieren, hat nun der renommierte Islamwissenschaftler Dr. Ali Özgür Özdil im Rahmen einer Veranstaltung des Projekts NRWeltoffen des Kreises Lippe vorgestellt.

 

„Der Islam ist kein Widerspruch zur Demokratie“, diese Botschaft hob Özdil zu Beginn seines mehr als 3-stündigen Vortrags hervor, der in der Mensa des Dietrich-Bonhoeffer-Berufskollegs stattfand und an dem gut 60 Personen aus den Bereichen Jugend- und Integrationsarbeit, Politik und Schule teilnahmen.

 

Özdil, der als Leiter des Hamburger Präventionsprojekts „Al Wasat – Die Mitte“ Experte für Radikalisierungsmechanismen bei Jugendlichen ist, grenzte in seinem Vortrag unter anderem die Begriffe „radikal“ und „extremistisch“ voneinander ab. Er betonte, dass so etwas wie radikales Denken nicht von vornherein negativ behaftet sein und bestraft werden müsse. Wie es dazu kommen kann, dass Jugendliche sich radikalisieren, kann sehr unterschiedliche Gründe haben: Özdil führte hier unter anderem persönliche Unrechtserfahrungen, politische Missstände, die Suche nach Anerkennung und Abenteuer oder auch soziale Isolation und Entfremdung auf. Aus diesem Grund sind besonders islamophobe Einstellungen kritisch zu sehen, da sie zu einer weiteren Abschottung der islamistischen Szene führen können. Zudem sind es oft sogenannte „Scharfmacher“ – meist selbst zum Islam konvertierte –, die den Jugendlichen einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte bieten. Die vermeintliche Orientierung, die die Jugendlichen darüber erfahren, kann letztendlich zur Radikalisierung führen.

 

„Diese Mechanismen der Radikalisierung verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass den Jugendlichen alternative Sozialbezüge geboten werden und wir ihre Bedürfnisse erkennen und ernst nehmen“, erklärt Sascha Schmittutz, Leiter der Koordinierungsstelle NRWeltoffen in Lippe. „Der Vortrag von Ali Özgür Özdil war genau deshalb hilfreich, da er sehr umfassend über den aktuellen Forschungsstand informiert und aufgezeigt hat, wie vielfältig der Islam ist. In der Arbeit mit muslimischen Jugendlichen sind das wichtige Grundlagen.“

 

NRWeltoffen ist ein Präventionsprojekt des Landes, mit dem den Themen „Extremismus“ und „Rassismus“ begegnet werden soll. Neben Aufklärungsprogrammen für Bürgerinnen und Bürger beinhaltet die Arbeit des Projekts auch eine Lotsenfunktion und vermittelt bei Fragen und Problemen den Kontakt zu passenden Beratungsstellen (Kontakt: NRWeltoffen@kreis-lippe.de). Das Präventionsprojekt „Wegweiser“ aus Bielefeld und Herford ist darüber hinaus Ansprechpartner für den Bereich gewaltbereiter Salafismus (Wegweiser-Bielefeld-Herford@awo-bielefeld.de).

Bild- und Textquelle: Kreis Lippe