Kreis Lippe: 33 Prozent mehr Rentner auf Stütze vom Amt angewiesen

Trotz jahrzehntelanger Arbeit sind immer
mehr Menschen von Altersarmut bedroht.
Die Gewerkschaft NGG fordert die Politik
auf, gegen diesen Trend vorzugehen und
rasch eine Grundrente einzuführen

Lippe. Wenn die Rente nicht reicht: Immer mehr Menschen im Kreis Lippe sind neben ihren Altersbezügen auf staatliche Stütze angewiesen. Die Zahl der Empfänger von „Alters-
Hartz-IV“ stieg innerhalb von zehn Jahren um 33 Prozent. Gab es im Kreis Lippe 2008
noch 3.452 Bezieher von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, so waren
es im vergangenen Jahr bereits 4.598. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-
Gaststätten mit. Die NGG beruft sich hierbei auf Angaben des Statistischen Landesamtes.
Danach erhielten in ganz Nordrhein-Westfalen zuletzt rund 280.000 Rentnerinnen und
Rentner Grundsicherung – 44 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.

Armin Wiese, Geschäftsführer der NGG-Region Detmold-Paderborn, sieht den Trend mit
Sorge – und fordert eine „rentenpolitische Kurskorrektur“. Insbesondere die von der
Bundesregierung angekündigte Grundrente müsse rasch angepackt werden, um ein
Ausufern der Altersarmut im Kreis zu verhindern.

„Die amtlichen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Denn sehr viele Menschen, die
wegen Mini-Renten eigentlich einen Anspruch auf die Grundsicherung haben, schrecken
aus Scham vor einem Antrag zurück“, sagt Wiese. So sind nach einer Untersuchung des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bundesweit aktuell bereits 16,8 Prozent
der Rentner von Armut bedroht. Ohne die Einführung einer Grundrente könnte das
Armutsrisiko laut DIW bis zum Jahr 2039 auf 21,6 Prozent steigen – selbst bei einer
weiterhin positiven Konjunkturentwicklung.

„Eine entscheidende Ursache für dürftige Renten sind niedrige Einkommen. Auch wer
Jahrzehnte in einer Bäckerei oder einem Restaurant gearbeitet hat, landet im Alter oft
unter der Armutsschwelle. Das liegt auch an der Praxis vieler Unternehmen, aus
Tarifverträgen auszusteigen und so die Löhne zu drücken. Hinzu kommt der Trend zu
Teilzeit und Minijobs“, erklärt Gewerkschafter Wiese.

Hier setze die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil geplante Grundrente an: Danach
sollen die Bezüge von Menschen, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet haben und bei
der gesetzlichen Rente trotzdem unter die Grenze von 896 Euro kommen, um bis zu
mehrere Hundert Euro im Monat aufgebessert werden. „Das Modell wäre ein wichtiger
Beitrag für mehr Gerechtigkeit im Rentensystem. Es würdigt die Leistung von denen, die
ein Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt haben“, betont Wiese.
Ausschlaggebend sei aber, dass es dabei keine Bedürftigkeitsprüfung gebe. „Wer eine
solche Prüfung fordert, trifft die Falschen, weil es in den allermeisten Fällen um Haushalte
mit kleinen Einkommen geht. Eine Bedürftigkeitsprüfung steht auch dem Rentenprinzip
entgegen, nach dem Beitragszahler einen individuellen Leistungsanspruch erwerben“, so
Wiese.

Die NGG fordert die Große Koalition auf, bei dem Thema jetzt „ernst zu machen“. Wer
Jahrzehnte gearbeitet habe, habe mehr verdient als die bloße Grundsicherung. Am Ende
stehe ein Stück des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf dem Spiel. „Für Tausende
Beschäftigte allein im Kreis Lippe stellt sich die Frage, ob ein würdiger Lebensabend in
Zukunft noch möglich ist“, warnt Wiese. Diese Sorge dürfe die Politik nicht ignorieren. Sie
müsse jetzt die nötigen Mittel aufbringen, um Altersarmut im großen Stil zu stoppen.
Das Bundesarbeitsministerium geht bei der Grundrente von jährlichen Kosten von etwa
fünf Milliarden Euro aus. Armin Wiese: „Allein die Bankenrettung im Jahr 2008 hat den
Steuerzahler rund 60 Milliarden Euro gekostet.“

Bild- und Textquelle: NGG-Region Detmold-Paderborn