Parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Kindesmissbrauch“

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Aussagen von Mitarbeitenden und Anlieferung der Akten

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) „Kindesmissbrauch“ hat zum ersten Mal Mitarbeitende aus Jobcenter, Kreispolizeibehörde und Kreisverwaltung Lippe befragt. In ihren Aussagen haben die Mitarbeiterinnen und ein Polizist dem PUA ihre Erinnerungen berichtet und wurden durch die Mitglieder des Ausschusses befragt.

Die Missbrauchsfälle haben die Mitarbeitenden nachhaltig geprägt, dies zeigte insbesondere die Aussage der Mitarbeiterin des Jobcenters. Sie schilderte auch eine Situation, in der sie sich durch einen Mitarbeiter der Jugendamts, den Leiter des Regionalbüros in Blomberg, bedroht gefühlt habe. Dieser bestreitet gegenüber der Verwaltungsleitung des Kreises Lippe diese Vorwürfe. Kritik gab es zudem an der Aussage-Genehmigung, die der Landrat der Mitarbeiterin des Jobcenters ausgestellt hatte. Hier fürchtet der Anwalt arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Dazu Landrat Dr. Axel Lehmann: „Eine Aussage in öffentlicher Sitzung im Landtag ist eine außergewöhnliche und belastende Situation. Als Arbeitgeber hat der Kreis Lippe den Mitarbeitenden angeboten, sie dabei zu unterstützen. Alle Mitarbeitenden des Kreises Lippe, die eine Ladung in den PUA erhalten haben, bekamen das Angebot für Unterstützung und wurden mit den notwendigen Dokumenten und rechtlichen Hinweisen versorgt.“ So ist beispielsweise eine Aussage-Genehmigung notwendig, damit Mitarbeitende überhaupt in der Öffentlichkeit über dienstliche Inhalte berichten dürfen. Gerichtsurteile schränken die Aussageverpflichtungen gegenüber einem Untersuchungsausschuss ein, um Interessen Dritter zu schützen. Auf diese Einschränkungen hat der Kreis Lippe in seiner Aussagegenehmigung für alle Zeugen aus seinem Hause gleichermaßen hingewiesen.

Die hier erteilte Aussagegenehmigung untersagt nicht die Bekanntgabe der Namen der Beteiligten aus dem Jugendamt Lippe, nach denen in der Sitzung gefragt worden war.  „Dass einer Mitarbeiterin aufgrund der Nennung dieser Namen arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, ist eine Unterstellung, die ich in aller Form zurückweise“, so Landrat Dr. Axel Lehmann. 

Die Vorwürfe gegen den Leiter der Regionalbüros wiegen schwer. Der PUA wird voraussichtlich auch diese Person befragen und um Stellungnahme bitten. Den Vorwurf dokumentierte die Mitarbeiterin in der persönlichen Handakte – allerdings erst 2019. Nachdem die Verwaltung davon Kenntnis erlangte, erfolgte sofort eine Anhörung des Mitarbeiters und auch der Mitarbeiterin. Im Ergebnis steht Aussage gegen Aussage, weitere Zeugen konnten von beiden Seiten nicht benannt werden. Angesichts der widersprechenden Aussagen wurden keine weitergehenden arbeitsrechtlichen Schritte eingeleitet und der Leiter des Regionalbüros ist weiter im Dienst. Als Reaktion auf die Aussage der Mitarbeiterin im Ausschuss wurde der Leiter des Regionalbüros noch einmal gebeten, seine Aussage zu verschriftlichen. Er bleibt bei seiner Einlassung aus 2019 und bestreitet den Vorwurf der Jobcenter-Mitarbeiterin entschieden.

Kreis Lippe stellt sich weiter der Herausforderung der intransparenten Vorgaben zur Aktenanlieferung

Während der Ausschusssitzung haben Ausschussmitglieder wiederholt kritisiert, dass aus Lippe noch keine Akten vorliegen. Für den Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) sind Sitzungstermine bis in das zweite Halbjahr 2020 festgelegt – das Verfahren blieb lange intransparent; insbesondere sind lange Zeit keine eindeutigen Anweisungen an den Kreis Lippe ergangen, in welcher Form die Akten anzuliefern seien. 2019 hatte der Kreis Lippe zwei Mal alle notwendigen Akten digitalisiert geliefert, die dann wegen dieser unklaren Vorgaben jeweils wieder zurückgenommen werden mussten. „Der Wille zur Zusammenarbeit mit dem PUA haben wir durch die wiederholte Aktenlieferung deutlich dokumentiert“, erläutert Landrat Lehmann. „Aber erst seit wir am 11. Mai 2020 die Liste der zu verwendenden Pseudonyme vom Landtag erhalten haben, ist der Kreis in der Lage die Pseudonyme in den Akten einzufügen.“

Wie die Dokumente aufbereitet werden sollen und wann, welche Personen aus Lippe eingeladen werden, sind wiederkehrende Fragestellungen. Beispiel: Im Februar 2020 fordert ein Mitarbeiter aus dem Landtag in einer Mail an die allgemeine Adresse info@kreis-lippe.de dazu auf, die hinter vom Landtag genannten Pseudonymen stehenden Namen und meldepflichtigen Adressen von Zeugen für eine eventuelle Befragung im PUA mitzuteilen. Diese sollte eine Woche später in Düsseldorf stattfinden. Die Pseudonyme wie beispielsweise „LIP 1 MA“ waren dem Kreis Lippe nicht bekannt. Auf Nachfrage, woher diese stammen, teilte der Mitarbeiter mit, dass der Landkreis Hameln-Pyrmont diese Pseudonyme vergeben habe. Die Pseudonyme waren daher für den Kreis Lippe nicht zu entschlüsseln. Im Ergebnis wurde die Aufforderung durch den Landtag zurückgenommen, und für die Februar-Sitzung des PUA, die später aufgrund des Sturmtiefs Sabine abgesagt wurde, wurden keine Personen aus Lippe geladen. 

„Den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wollen wir mit allen angefragten Informationen versorgen und beantworten natürlich auch die Rückfragen im Landtag persönlich. Eine Herausforderung ist für uns dabei der Umgang mit Sozialdaten, schließlich dürfen die Akten nur Mitarbeitende aus dem Jugendamt einsehen und bearbeiten. Nur dieser Personenkreis darf ab dieser Woche auch die Pseudonyme in die Dokumente aus dem Jugendamt einfügen“, erläutert Karl-Eitel John, Verwaltungsvorstand beim Kreis Lippe.

Die Chronologie der Aktenaufbereitung

Der Kreis Lippe hat am 26. September 2019 etwa 13.000 Seiten aus Akten und weiteren Dateien nach Düsseldorf geliefert. Vorangegangen war eine Aufforderung des Landtages vom 13. September 2019, die Akten nicht vor einem am 24. September in Düsseldorf anberaumten Besprechungstermin zu liefern. Bei diesem Termin sollten Fragen der Anonymisierung der Akten zwischen Landtag und den beteiligten Behörden geklärt werden. Dieser Termin ist mit Schreiben des Ausschussvorsitzenden vom 20. September 2019 abgesagt worden, sodass der Kreis Lippe keine Informationen über die Art der Aufbereitung bekam. Zugleich wurde um unverzügliche Übersendung der Akten an den PUA gebeten. Diesen Aufforderungen ist der Kreis Lippe auch ohne die erhofften Informationen aus dem abgesagten Besprechungstermin nachgekommen, sodass die Daten am 26. September 2019 in Düsseldorf vorlagen.

Telefonisch bat der Landtag dann um eine veränderte Aufbereitung der Akten. Diese neu aufgearbeiteten Dateien wurden dann im Austausch gegen die Lieferung vom 26. September am 18. Oktober 2019 dem PUA vom Kreis Lippe zur Verfügung gestellt. Es folgte eine Diskussion über die einzuhaltenden Datenschutzvorschriften sowie Geheimhaltungsstufen. Dies sollte auf ministerieller Ebene geklärt werden. Am 14. November 2019 bekam der Kreis ein Schreiben des Ausschussvorsitzenden, in dem Bedenken zur Verwendung von Klarnamen geäußert wurden. Er teilte mit, dass in den Akten Pseudonyme zu verwenden seien, die ein Treuhänder vergeben werde. Im Dezember 2019 bat der Kreis zudem die oberste Kommunalaufsicht, das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, um eine rechtliche Einschätzung.

Am 13. Januar 2020 erhielt der Kreis ein Anschreiben, in dem die Treuhänderin und eine weitere Person aus dem Innenministerium benannt wurden, die den Kreis beim weiteren Verfahren unterstützen sollte. Diese Hilfestellung wurde im Januar angefragt, der Kreis vereinbarte Termine und bekam vorab telefonisch Hinweise zum Umgang mit den Pseudonymen. Parallel empfahl die Kommunalaufsicht die Einbeziehung des Landesbeauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI) in eigener Zuständigkeit. Diesen Rat folgend, wandte sich der Kreis Lippe im Februar mit einer Anfrage an den LDI. Der PUA wurde fortlaufend über die weiteren Schritte des Kreises informiert. Parallel fanden Besprechungen mit dem Innenministerium zur Klärung des Verfahrens der Pseudonymisierung statt. Am 17. März erreichte den Kreis die Anfrage des Ausschussvorsitzenden, ob eine Antwort aus dem LDI vorliegt, diese ging ebenfalls am 17. März ein. Daher wurde am 18. März auf Basis der Ausführungen des LDI und den Hinweisen aus dem Innenministerium Kontakt mit der Treuhänderin aufgenommen. Am gleichen Tag wurden weitere Sitzungen des PUA aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Am 30. März hat der Kreis Lippe nach Durchsicht des umfangreichen Aktenmaterials der Treuhänderin einen USB-Stick mit den zu pseudonymisierenden Namen zur Verfügung gestellt. Sechs Wochen später, am 11. Mai, hat der Landtag die Liste der Pseudonyme, die jetzt in die Dokumente eingepflegt werden, um die Klarnamen zu ersetzen, dem Kreis Lippe zugeleitet. Der Kreis Lippe wird unverzüglich mit der Pseudonymisierung beginnen.

Textquelle: Kreis Lippe