Lipper Landwirte verfolgen ersten digitalen Kreisverbandstag Lippe

Junglandwirte Max Mäscher, Daniel Walgern und Junglandwirtin Jennifer Helweg im Gespräch mit Jörg Düning-Gast

Ist die Landwirtschaft noch gewollt? Bauern zwischen Existenzangst und Hoffnung

Lippe /WLV (Re) Hat Landwirtschaft Zukunft? Diese Frage beantwortet Kreisverbandsvorsitzender Dieter Hagedorn auf dem ersten digitalen Kreisverbandstag Lippe mit 140 zugeschalteten Teilnehmern  am Freitag (26.2.2021) mit einem eindeutigen ja. Doch der Frust sei groß und die Stimmung unter den Bauern schlecht. Aufgrund der immer höheren Auflagen- und Gesetzesflut entwickle sich teilweise bei dem einzelnen Landwirt eine Ohnmacht. Dazu kämen die niedrigen Erzeugerpreise und die Marktmacht der Lebensmittelketten, so einige der Gründe, die der Vorsitzende in seiner Begrüßung nannte.

Die Referenten Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch – Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) und Jörg Düning-Gast, Verbandsvorsteher, Landesverband Lippe, diskutieren an dem Vormittag unter Moderation von Patrick Liste, Chefredakteur des Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben. Mit Junglanglandwirtin Jenifer Helweg (26) aus Detmold sowie den Junglandwirten Max Mäscher (28) aus Leopoldshöhe und Daniel Walgern (23) aus Extertal, entwickelte sich ein muntere Diskussion. Der landwirtschaftliche Nachwuchs stellte Fragen an die Referenten. Sie warfen ihre Sicht auf die große Gemengelage und erklärten, was diese für ihre berufliche Entwicklung bedeutet. Die vorgesehene Referentin Judith Pirscher – Regierungspräsidentin, Bezirksregierung Detmold, war nicht dabei. Sie musste kurzfristig absagen.

Hagedorn fragt in seiner Einführung, ob sich die Politik mehr und mehr von Meinungsmachern treiben lasse, um dann in Aktionismus neue Regeln zu beschließen? Auch Bauernpräsident Beringmeier bekräftigt: Einseitige Produktionsauflagen für die deutschen Landwirte seinen fatal „und helfen keineswegs weiter. Der Lebensmittelhandel kauft weltweit ein und die Kunden schauen nach wie vor hauptsächlich auf den Preis.“

Gerade die kleinere Höfe haben es schwer

„Wir brauchen Planungssicherheit und nicht immer und ständig noch mehr Gesetze, Auflagen und Verordnungen obendrauf“, fordert auch Junglandwirtin Jennifer Helweg. Die 26-Jährige stammt von einem Hof in Detmold mit Ackerbau, Milchvieh und Bullenmast. Sie arbeitet momentan halbtags beim Betriebshilfsdienst. Ihr Vater gehe in vier bis fünf Jahren in Rente „und die „Milchviehhaltung auf unserem Hof hat keine Zukunft“. Sie überlege derzeit eine Umstrukturierung auf Mutterkühe, Gemüseanbau und Sondervermarktung mit örtliche Einzelhändler, so die Detmolderin. Gesellschaftlich und politisch gewollt seien doch viele, kleine bäuerliche Familienbetriebe, erzählt sie weiter. Aber gerade die kleineren Höfe könnten die immer höheren kostenverursachenden Auflagen bei niedrigen Preisen nicht stemmen. Dasselbe gelte für das Lebensmittelhandwerk. „Für unsere Tiere, die wir regional vermarkten, liegt der nächste Schlachter erst in Schloss Holte-Stukenbrock“, sagt Helweg. „Wir fahren dahin, dann wieder zurück und das Fleisch geht zwei Kilometer von unserem Hof in Detmold über die Ladentheke.“ Viele kleine Schlachter könnten aufgrund hoher Gebühren wie bei der Fleischbeschau und durch immer höhere, strengere Regeln wie bei der Lebensmittelbegutachtung die Berufsausübung nicht mehr durchhalten. „Regionale Vermarktung ist gewollt, doch die Betriebe in Landwirtschaft und im Lebensmittelhandwerk müssen es doch auch langfristig schaffen“, unterstreicht Helweg.

Die Erzeugerpreise sind für die Bauern nicht ausreichend. „Andererseits stehen die Tierhalter vor der Herausforderung durch gesetzliche Vorgaben und durch gesellschaftliche Ansprüche die Ställe tierwohlgerechter umzubauen“, unterstreicht Präsident Beringmeier. „Dazu brauchen wir neue Ansätze.“ Hohe Standards und Preise auf Weltmarktniveau passten aber nicht zusammen. Doch es gäbe Hoffnung mit der Kommission um den ehemaligen Landwirtschaftsminister Jochen Borchert. Die „Borchert-Kommission“ biete Pläne für eine akzeptierte, zukunftsfähige Tierhaltung, so Beringmeier. „Für uns Bauern sind sie eine Chance, wenn die Finanzierung dafür sichergestellt wird“, untermauert der Präsident: „Denn wir werden die jungen Leute nur auf den Höfen halten, wenn sie und ihre Familien von ihrer Arbeit leben können.“

Niedrige Preise, hohe Auflagen: Wer soll den Umbau der Tierhaltung finanzieren?

In Bezug auf die Borchert-Pläne und die gesellschaftliche Forderung nach mehr Tierwohl fragt Max-Julius Mäscher aus Leopoldshöhe, der seit anderthalb Jahren auf dem elterlichen Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast angestellt ist: „Wie kann es sein, dass eine Supermarktkette angeblich Marktanteile verliert, weil sie den Preis pro Kilogramm Fleisch im Einzelhandel um ein Euro erhöht und dieses nicht gekauft wird?“ Sei das gesellschaftliche Ansinnen mehr Geld für mehr Tierwohl ausgeben zu wollen Augenwischerei? „Wer soll den Umbau der Tierhaltung in Deutschland finanzieren, wenn nicht einmal ein Euro mehr gezahlt werden kann?“, argumentiert der 28-Jährige.

Junglandwirt Daniel Walgern fordert in der Diskussion seine Berufskollegen auf, mehr nach vorne zu schauen. Der 23 Jahre alte Extertaler, ist ausgebildeter Landwirt, besucht derzeit die Fachschule für Agrarwirtschaft in Herford und schließt diese im Sommer als Agrarbetriebswirt ab. Das Ansehen der Landwirtschaft ist für ihn ein großes Thema, auch ohne elterlichen Betrieb. Deshalb ist er schon seit Jahren als Agrarscout unterwegs, um den Menschen die moderne Landwirtschaft näherzubringen. „In Zeiten zunehmender Entfremdung von der Landwirtschaft müssen wir die Verbraucher mehr mitnehmen.“ Der grüne Berufszweig hätte einiges aufzuholen. Der Erzeuger-Verbraucherdialog sei wichtiger denn je. Er fragt: „Warum unterstützen nur elf Landwirte aus Lippe die Initiative ‚MAG DOCH JEDER‘? Zur Erklärung: Sie ist eine Initiative des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und sehe Werbung und Marketing für die heimische Landwirtschaft, für eine bessere Wahrnehmung und positives Image vor: Von Bauern finanziert, von Bauern kontrolliert. Junglandwirt Walgern appelliert: „Wann wollen wir endlich aufhören mit der Opferrolle? Wann fangen wir mit dem professionellen Branding für die Landwirtschaft an?“

„Wir stehen fest an der Seite der Landwirte“

Weiter stellte Jörg Düning-Gast sich und seine Arbeit an dem Vormittag vor. Seit letztem Jahr ist er Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe. Er bekräftigt: Der Landesverband Lippe stehe als großer Flächenverpächter in Lippe fest an der Seite der regionalen Landwirtschaft. Denn es könne dem Landesverband Lippe nur gut gehen, wenn es seinen Pächterinnen und Pächtern gut gehe Daher versuche der Landesverband stets, mit der Entwicklung Schritt zu halten, die örtlichen Strukturen zu stärken, regionale Vermarktung voranzubringen und die Pächter zu unterstützen. Der Landesverband wolle in Zukunft mehr denn je einen frühzeitigen und engen Austausch mit den Pächtern pflegen und vor allem auch helfen, die berechtigten Interessen der Landwirtschaft in die Öffentlichkeit zu bringen sowie ihre Kommunikation insbesondere mit der Politik und Behörden zu unterstützen.

Abschließend untermauert Landwirtevorsitzender Hagedorn, er glaube fest an die Landwirtschaft und ihre Zukunft. Was derzeit auf die Bauernfamilien nieder prassele, könne dazu führen, dass man sich in einer Opferrolle sehe. Aber die Landwirtschaft habe sich immer weiter verändert. „Wir befinden uns in einer fortwährenden Weiterentwicklung“, erklärt Hagedorn. „Was wir allerdings verlangen können ist Verlässlichkeit.“ Politik und Gesetzgebung müsse fein abwägen, ob in den Entscheidungsprozessen die Fachlichkeit überwiegt oder der Wunsch zu gefallen. Hagedorn: „Ein Land ohne Landwirtschaft ist kein Land sondern besiedelte Fläche, wir haben einen der schönsten Berufe, lassen Sie uns für bessere Rahmenbedingungen einstehen.“

Bild- und Textquelle: Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband