Die Suche nach der passenden Pflanze

Die Taglilie trägt ihren Namen, weil jede ihrer Blüten nur einen Tag geöffnet ist. Nora Huxmann (l.) und Ute Aland zeigen die Blütenvielfalt der unterschiedlichen Sorten

Ob Profi- oder Hobbygärtner: Wer Pflanzen aussuchen möchte, hat häufig die Qual der Wahl. Chinaschilf oder Japanwaldgras? Und vor allem: welche der zahlreichen Sorten, die es jeweils auf dem Markt gibt? Der Botanische Garten der TH OWL ist Mitglied des Arbeitskreises Staudensichtung. Bereits seit den 1990er-Jahren liefert er Informationen, die die Pflanzenauswahl erleichtern. Frisch eingepflanzt ist die Sortenvielfalt des Blutweiderichs.

Längs- oder quergestreift, hüfthoch oder größer als ein Mensch, stark oder zart: Im Botanischen Garten der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Höxter wächst Chinaschilf. Aber nicht nur eine Sorte, sondern gleich ein ganzes Dutzend. In Europa ist das Chinaschilf als Zierpflanze kultiviert und findet sich in Gärten beispielsweise in der Nähe von Teichen. In den vergangenen Jahren hat Ute Aland, technische Leiterin des Botanischen Gartens, das Wachstum der Schilfsorten beobachtet und dokumentiert. Wie groß werden die Sorten, welche stehen am aufrechtesten und welche sind am frosthärtesten? Vor wenigen Tagen hat sie die Ergebnisse beim Arbeitskreis Staudensichtung eingereicht – dargestellt in den vorgegebenen Bewertungskriterien. Denn an den Pflanzensichtungen beteiligen sich zahlreiche Gärten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Ergebnisse müssen vergleichbar sein. Wenn die Auswertung abgeschlossen ist, können Profi- und Hobbygärtner im Internet und in Flyern nachschlagen, welche Sorte des Chinaschilfs für ihren individuellen Standort am besten passt.

Studierende erlernen standortgerechte und strategische Pflanzenauswahl

„Kernaufgaben unseres Botanischen Gartens sind Forschung und Lehre“, sagt Nachwuchsprofessorin Nora Huxmann, wissenschaftliche Leiterin des Botanischen Gartens der TH OWL, und betont: „Die Sichtungen sind eine Form der Forschung. Außerdem bieten sie die Möglichkeit, unseren Studierenden in der Lehre anschaulich Wissen zu vermitteln zu Sortimenten und Pflanzenauswahl.“ Denn der Botanische Garten dient den Studierenden der Landschaftsarchitektur, des Landschaftsbaus und Grünflächenmanagements sowie des Freiraummanagements als Freilandlabor, in dem sie das Konkurrenz- und Ausbreitungsverhalten der Pflanzen im Miteinander und abhängig von Standort und Pflege beobachten, Gestaltungsideen entwickeln und eigene Pflanzungen durchführen können. Huxmann erklärt: „Wir wollen den Studierenden ein Bewusstsein geben, was Sortimentspektren sind und wie sich Pflanzen verhalten.“

Chinaschilf und Japanwaldgras sind nach drei Jahren Beobachtung aktuell abgesichtet. Die in einem verschlossenen Gartenareal liegende Chinaschilf-Pflanzung soll trotzdem erhalten bleiben: „Wir wollen auch die Langzeitentwicklung verfolgen – und den Studierenden das strategische Denken bei der Pflanzenauswahl vermitteln“, so Huxmann. Deshalb gibt es im Botanischen Garten der TH OWL auch noch Pflanzungen im Schatten von Bäumen, die schon vor rund zehn Jahren abgesichtet worden sind. Hier ging – und geht – es um die Frage, welche Pflanzen im trockenen Schatten am besten gedeihen. Aland betont: „Wir können hier im Botanischen Garten realitätsnah nach pflegeleichten Sorten suchen – denn unser Budget und Personal sind begrenzt.“ Das passe gut zu den Bedürfnissen anderer öffentlicher und vor allem auch privater Gärten: „Wir müssen den vermeintlich pflegeleichten Schottervorgärten etwas entgegensetzen“, sagt Aland und erklärt: „Das ist aus botanischer Sicht kein Problem – aber dafür muss sich die Wahrnehmung ändern, also das, was die Menschen als ästhetisch schätzen.“ Also weg von Prachtstaudenbeeten, hin zu mehr Artenvielfalt. Die Studierenden seien hier wichtige Multiplikatoren.

Der Botanische Garten ist offen für alle

Ergänzt wird das Spektrum der Sichtungspflanzungen im Botanischen Garten durch eine Art, die viele Liebhaber hat: Taglilien, botanisch Hemerocallis. „Bei Hemerocallis gibt es Sammler, die immer wieder auf der Suche nach neuen Züchtungen sind“, erklärt Aland. Und es gibt eine Hemerocallis-Fachgruppe in der Gesellschaft der Staudenfreunde, die die Sichtungen bundesweit durchführt – der Botanische Garten stellt in diesem Fall die Anbaufläche und kümmert sich um die Pflege der Pflanzen. Den Studierenden, aber auch allen Besucherinnen und Besuchern bietet der Garten somit die Chance, neu gezüchtete Taglilien-Sorten kennenzulernen – auch solche, die sich in der Sichtung vielleicht nicht bewähren und den Sprung auf den Markt anschließend nicht schaffen.

Gerade eingepflanzt hat das Gartenteam außerdem Blutweiderich, der purpurrot blüht und unter anderem Nektarspender für Bienen und Schmetterlinge ist. Er wird in Höxter ab 2020 gesichtet. Dann erhält der Botanische Garten auch noch eine weitere Sichtung: das Kaukasusvergissmeinnicht, das in Europa als Zierpflanze in Staudenbeeten und Rabatten genutzt wird.

Eingeladen, die Sortenvielfalt des Botanischen Gartens kennenzulernen, ist jeder, der Inspiration für den eigenen Garten sucht oder einfach die Natur genießen möchte. Der Botanische Garten der TH OWL (An der Wilhelmshöhe 44 in Höxter) ist im Sommer montags bis freitags von 8 bis 21 Uhr geöffnet.

Weitere Informationen zum Botanischen Garten: www.th-owl.de/fb9/botanischer-garten.html

Bild- und Textquelle: Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe