Gläubige begehen Ramadan in der Flüchtlingsunterkunft Oerlinghausen

Nach Sonnenuntergang wird es voll im Speisesaal der Oerlinghauser Flüchtlingsunterkunft - Rachid Essadqi teilt zusammen mit helfenden Bewohnern das Essen aus.

Nach Sonnenuntergang wird es voll im Speisesaal der Oerlinghauser Flüchtlingsunterkunft – Rachid Essadqi teilt zusammen mit helfenden Bewohnern das Essen aus.

Bei Sonnenuntergang wird das Fasten gebrochen

Oerlinghausen. „Ist es schon soweit? Sind die letzten Sonnenstrahlen erloschen?“ – Die Anspannung unter den Wartenden ist beinahe greifbar. Kein Wunder, fasten sie doch bereits seit 18 Stunden, seit um 3.30 Uhr morgens die Sonne aufgegangen ist. Ramadan, der heilige Fastenmonat der Muslime, hat am Montag begonnen und hat auch das Leben in der Oerlinghauser Flüchtlingsunterkunft merklich beeinflusst.

„Zurzeit sind bei uns rund 450 Menschen untergebracht, etwa die Hälfte davon ist muslimischen Glaubens und 200 haben sich gemeldet, dass sie das Fastengebot im Ramadan einhalten werden“, erklärt Jochen Nadolski-Voigt von der Johanniter-Unfall-Hilfe. Als Leiter der Unterkunft stellt ihn der Fastenmonat vor allen vor logistische Herausforderungen. „Abendessen gibt es bei uns normalerweise bis 19 Uhr, dann ist auch die Schicht der Mitarbeiter des beauftragten Küchenbetreibers beendet“, so Nadolski-Voigt. Jetzt in der Sommerzeit geht die Sonne aber erst kurz vor 22 Uhr unter. Um den Flüchtlingen trotzdem das Einhalten der religiösen Gebote zu ermöglichen, packen viele der Johanniter-Mitarbeiter ehrenamtlich in der Einrichtung mit an.

Einer, der sich zum Ramadan neben seinen normalen Schichten noch ehrenamtlich engagiert, ist der 40-jährige Rachid Essadqi. Der gebürtige Marokkaner, der vor 18 Jahren zum Studium nach Deutschland kam, ist für soziale Betreuungsangebote zuständig. Während der 29 Tage des Fastenmonats kommt er jeden Abend in die Johanniter-Einrichtung und kocht zusammen mit einem Freiwilligen-Team aus Mitarbeitern und fastenden Bewohnern. Einige Speisen haben die Mitarbeiter des Küchenbetreibers bereits vorbereitet und müssen in der Großküche nur noch warm gehalten werden. Vieles wird aber auch in den Abendstunden vor dem Sonnenuntergang frisch zubereitet. Für Hobbykoch Essadqi, der auch zu Hause gerne den Kochlöffel schwingt, ist das Spaß und Herausforderung zusammen: „Essen für 200 Leute vorzubereiten, ist eine Menge Arbeit. Aber durch das Zusammenkochen mit Menschen aus acht Nationen lerne ich auch viele neue Esskulturen und Speisen kennen. So habe ich vorher noch nie Indisch gegessen und wie die Afghanen Reisgerichte per Hand essen, ist auch für mich als Marokkaner neu gewesen.“

Abends beim Fastenbrechen nicht zu Hause sein zu können, dass fehlt Essadqi und den anderen Mitarbeitern. Normalerweise ist das Zusammensein und gemeinsame Essen mit der ganzen Familie ein fester Bestandteil des Festes. Aber die Familien haben Verständnis, backen traditionelle Ramadan-Süßigkeiten für die Flüchtlinge oder spenden Datteln, ebenfalls eine traditionelle Speise zum Fastenbrechen. „Die Stimmung und das Gemeinschaftsgefühl ist etwas ganz Besonderes und die Freude in den Augen der Bewohner zu sehen, ist ein schönes Gefühl“, so Rachid Essadqi über die Beweggründe für sein Engagement.

Für Leiter Jochen Nadolski-Voigt ist es das zweite Ramadanfest, das er in der Oerlinghauser Einrichtung miterlebt, und er hat aus den Erfahrungen im letzten Jahr gelernt. „Wir haben als erstes die Portionen vergrößert. Denn, wenn Menschen den ganzen Tag nichts Essen, sind sie abends sehr hungrig“, erzählt er lachend. Doch dann wird er schnell wieder ernst, denn eines ist dem Sozialarbeiter sehr wichtig: „Hier in der Einrichtung werden alle Religionen gleichermaßen respektiert und alle wichtigen religiösen Feste gefeiert.“ So wurde zum Beispiel Weihnachten mit den Bewohnern Kekse gebacken, Kinder aller Glaubensrichtungen haben den Weihnachtsbaum geschmückt und in der Kinderbetreuung Weihnachtslieder gelernt. Am 6. Dezember kam der Nikolaus vorbei und brachte kleine Geschenke. Das rote Kostüm und den weiße Rauschebart trug: der Muslim Rachid Essadqi.

Bild- und Textquelle: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.