Anatol Tereschtschenko hat den Dreh ´raus!

(von links): Andrea Knipping (Gebärdensprachdolmetscherin); Elke Reiff (Integrationsfachdienst); Zertex-Geschäftsführerin Birgit Ridder; Anatol Tereschtschenko; Bianca Kuhlmann (Agentur für Arbeit Detmold)

Ein 62-jähriger Mann an der Drehmaschine bei Firma Zertex Zerspanungstechnik in Extertal. Eigentlich keine große Sache, sollte man meinen, doch etwas ist schon besonders: Anatol Tereschtschenko ist gehörlos. „Und da habe ich mich am Anfang schon gefragt, wie soll das gehen“, berichtet Geschäftsführerin Birgit Ridder. Inzwischen schmunzelt die Chefin selbst über ihre anfänglichen Bedenken, „denn es läuft richtig gut, und zwar vom ersten Tag an!“

Ridder ist fast immer auf Personalsuche. „Der Fachkräftebedarf ist groß: Aktuell suchen wir zwei Dreher beziehungsweise Maschinenbediener. Und auch im vergangenen Jahr habe ich händeringend nach einer Fachkraft gesucht.“ Bianca Kuhlmann, Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit Detmold, hatte den passenden Mann: Anatol Tereschtschenko, der seinerzeit seinen Job durch die Insolvenz seines einstigen Arbeitgebers verloren hatte. Das Vorstellungsgespräch führten Ridder und Tereschtschenko mit Unterstützung eines Gebärdendolmetschers. „Für mich war danach klar: Wenn die Probearbeit gut läuft, stelle ich den Arbeitsvertrag umgehend aus“, so Ridder. Gesagt, getan. Innerhalb weniger Tage fing der Detmolder in Extertal seine Vollzeitstelle an

Und wie sollte es mit der Kommunikation in Zukunft laufen, auch ohne Gebärdendolmetscher?! Elke Reiff vom Integrationsfachdienst (IFD), der in der Trägerschaft des Netzwerks Lippe arbeitet, berät Arbeitgeber bei der Neueinstellung und Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung. Ihr Hinweis: „Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Sprache. Wenn ein Gebärdendolmetscher erforderlich ist, unterstützen wir dies.“ Inzwischen kommunizieren Tereschtschenko und Kollegen beziehungsweise Geschäftsführung völlig routiniert miteinander, manchmal mit den sprichwörtlichen Händen und Füßen, zumeist aber über einen Messangerdienst auf dem Smartphone. „Wenngleich ich auch oft noch ganz traditionell Stift und Papier nutze“, so Ridder augenzwinkernd. Dem 62-Jährigen, der von Geburt an gehörlos ist, ist das alles mehr als recht. „Hauptsache wir verstehen uns“, fasst Gebärdendolmetscherin Andrea Knipping seine Ausführungen in Worte.

Man versteht sich gut im doppelten Sinne, „weil es menschlich und mit der Arbeit bestens klappt“, freut sich Ridder. Wenn Tereschtschenko nicht an der Drehmaschine bei Zertex steht, findet man ihn oft im heimischen Hobbykeller, wo er Schränke, Schubladen, Türverschläge – kurzum alles was in einem Haushalt so anfällt – werkelt. Oder er ist mit seiner Familie unterwegs, ganz Ehemann, Vater und zweifacher Großvater. Als Tereschtschenko vor 27 Jahren aus dem sibirischen Omsk nach Deutschland kam, hatte er bereits in Russland im Bereich Zerspanung gearbeitet.

„Die jahrzehntelange Routine merkt man“, freut sich Ridder, die übrigens auch einen stark sehbehinderten Mitarbeiter an der Drehmaschine beschäftigt. „Ich kann nur alle Arbeitgeber auf Fachkräftesuche ermutigen, Menschen mit Behinderung eine Chance im Betrieb zu geben. Auch ich hatte erst Bedenken, die sich in der Praxis schnell zerstreut haben. Und es gibt gute Unterstützungsmöglichkeiten bei der Beratung und Vermittlung, sei es durch den Integrationsfachdienst oder durch die Agentur für Arbeit.“

Bild- und Textquelle: Agentur für Arbeit Detmold