Mit einer unscheinbaren Muschel zum ausgezeichneten Master

Janina Schröder bei der Suche nach trächtigen Bachmuschelweibchen im Mai 2019 Foto: Gerhard Lakmann

Die Bachmuschel ist nur wenige Zentimeter groß, aber wichtig für die Wasserqualität in Bächen und Kanälen. In vielen Regionen ist sie jedoch bereits ausgestorben. Im Kreis Paderborn gibt es noch letzte Bestände – wie diese wieder vergrößert werden könnten, hat Janina Schröder in ihrer Masterarbeit an der TH OWL untersucht.

In ihrer Masterarbeit im Studiengang Landschaftsarchitektur am Standort Höxter der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat Janina Schröder die Gebiete der Oberen Lippe und des Boker Kanals betrachtet. Ergebnis: Der Zustand der Gewässer genügt den Ansprüchen der Bachmuschel zum größten Teil nicht mehr – sie findet nur in kleinen Abschnitten geeigneten Lebensraum und kann sich somit aus eigener Kraft nicht wieder weiter ausbreiten. Um ihr zu helfen, müssen unterschiedliche Akteure an einem Strang ziehen, wie Schröder in ihrer Abschlussarbeit darlegt.

Viele Faktoren und Akteure spielen eine Rolle

Untersucht hat Schröder die Qualität des Wassers, aber auch die umgebenden Flächen und die Strukturgüte der Gewässer – also wie beispielsweise das Ufer und die Sohle aufgebaut sind. Eine entscheidende Rolle spielt angrenzende Landwirtschaft, da über sie der Nitrat-Stickstoff-Gehalt des Wassers steigen kann, was die Muscheln schlecht vertragen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die in den Gewässern lebenden Fische. Denn um sich fortzupflanzen, sind die Bachmuscheln auf Fische angewiesen: Nur wenn die Larven die passenden Wirtsfische finden, können sie aufwachsen. Eine bereits bewährte Maßnahme ist es deshalb, Fische im Labor mit Muschellarven zu besetzen und sie anschließend in Gewässer zu entlassen, wo die Bachmuscheln noch einen passenden Lebensraum finden.

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kamen die Bachmuscheln – mit wissenschaftlichem Namen Unio crassus – in fast jedem schnell fließenden Gewässer vor. „Aus historischen Berichten geht hervor, dass die Bachmuscheln früher kahnweise aus den Gewässern geschaufelt und an die Schweine verfüttert wurden“, erzählt Schröder und erklärt: „Als die Gewässer noch nicht so ausgebaut waren wie heute, konnten die Muscheln besser überleben.“ Übergeordnetes Ziel müsse es deshalb sein,

die Flüsse, Bäche und Gräben wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. „Dadurch fördert man die Bachmuschel, aber auch zahlreiche andere Tier- und Pflanzenarten“, betont die Landschaftsarchitektin. Mitwirken müssen daran – so ein Ergebnis ihrer Masterarbeit – Vertreter des Artenschutzes sowie der Land- und Wasserwirtschaft, aber auch Angler, Jäger und Ehrenamtler. Jäger beispielsweise helfen, die natürlichen Feinde der Bachmuschel wie den Waschbären und die Bisamratte unter Kontrolle zu halten.

Positive Resonanz und deutschlandweite Kontakte

Mit den Ergebnissen ihrer Masterarbeit hat sich die Absolventin beworben für die interdisziplinäre Wissenschaftstagung zur Biodiversitätsforschung auf der Insel Vilm. Diese Veranstaltung wird jährlich vom Bundesamt für Naturschutz ausgerichtet und bietet Nachwuchswissenschaftlern eine Plattform, um mit ihren Ergebnissen Fachleute in Behörden, Verbänden und Ministerien zu erreichen. „Diese Einladung ist ein hochrangiger Beleg sowohl für die qualitätsvolle Masterarbeit von Janina Schröder als auch für die moderne und effektive Ausbildung in der Landschaftsarchitektur und speziell im Naturschutz bei uns am Standort Höxter der TH OWL“, sagt Professor Ulrich Riedl, der die Arbeit als Erstprüfer betreute und die Absolventin zur Bewerbung anregte.

Es war toll, dass ich Menschen aus ganz Deutschland kennen lernen konnte, die sich mit dem Thema biologische Vielfalt auseinandersetzen. In den anderen Vorträgen bin ich auf viele Themen gestoßen, mit denen ich mich bisher noch nicht beschäftigt hatte“, sagt Schröder. Auf ihren eigenen Vortrag hat sie viel positive Resonanz bekommen: „Ich habe das Feedback bekommen, dass ich ein sehr aktuelles Thema bearbeitet habe: Die Bachmuschel ist ein alarmierendes Beispiel für die gefährdete Biodiversität von Binnengewässern.“ Auf der Insel Vilm konnte die Höxteraner Absolventin weitere Kontakte knüpfen, um auch bundesweit möglichst viele Experten zusammen zu bringen.

Im Praxissemester auf Tuchfühlung gegangen

Auf die Bachmuschel aufmerksam geworden ist Janina Schröder im Rahmen ihres Praxissemesters, das sie während des Bachelorstudiums der Landschaftsarchitektur absolvierte: Die Höxteraner Studentin arbeitete bei der „Biologischen Station Kreis Paderborn – Senne e.V.“ und hat in dieser Zeit an einer Artenhilfsmaßnahme für die Bachmuschel teilgenommen. Ein verkrauteter, also mit Schilf zugewachsener, Graben wurde gemäht. Die ins Mähgut geratenen Muscheln und Fische mussten gesucht und zurück ins Wasser gesetzt werden. So lernte die Studentin die unauffällige Muschelart kennen, die sie bis heute nicht mehr losgelassen hat. Die Masterarbeit hat sie – wie bereits zuvor ihre Bachelorarbeit über Umweltbildung – in Kooperation mit der Biologischen Station verfasst. Die Ergebnisse liegen dort und beim Kreis Paderborn vor.

Als Jahrgangsbeste hat Janina Schröder im Rahmen der Absolventenverabschiedung des Sommersemesters 2019 zudem den Preis der Stadt Höxter erhalten. Heute arbeitet sie im Umweltamt des Kreises Paderborn und kümmert sich unter anderem darum, zu bewerten, wie stark geplante Baumaßnahmen in die Natur und die Landschaft eingreifen – und welche Auswirkungen das auf ihre Genehmigung hat.

Bild- und Textquelle: Hochschule OWL