Große Enttäuschung bei den Johannitern

Vertrauen und Verlässlichkeit waren der Kern der Arbeit – Johanniter-Betreuer mit Flüchtlingen in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Oerlinghausen

Vertrauen und Verlässlichkeit waren der Kern der Arbeit – Johanniter-Betreuer mit Flüchtlingen in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Oerlinghausen

Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Oerlinghausen: Bezirksregierung Arnsberg vergibt Betreuung neu

Lippe. Nach Abschluss des Vergabeverfahrens zum Betrieb der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge in Oerlinghausen teilte die Bezirksregierung Arnsberg den Johannitern mit, dass ihr Engagement ab dem 1. Februar 2017 nicht mehr benötigt wird und ein anderer Anbieter mit der Betreibung beauftragt wird.

„Für uns ist diese Entscheidung eine herbe Enttäuschung“, sagen Matthias Schröder und Jürgen von Olberg, haupt- und ehrenamtlicher Vorstand des Johanniter-Regionalverbandes Lippe-Höxter. Vor zwei Jahren haben sie, ihre Mitarbeiter und vor allem zahlreiche ehrenamtliche Kräfte die Flüchtlingseinrichtung in der akuten Notlage des Landes aufgrund der unerwartet schnell steigenden Flüchtlingszahlen innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. „In nicht einmal zehn Tagen haben wir damals das ehemalige Klinikgebäude bezugsfertig gemacht und die ersten Flüchtlinge versorgt“, erinnert sich Schröder. Die Betten-Monteure, Sanitäter und Betreuer von damals waren alles Ehrenamtliche der Johanniter! „Unsere Ehrenamtlichen haben sich extra Urlaub genommen und eine 24-Stunden-Besetzung in drei Schichten ermöglicht. Und das über Wochen bis wird das nötige hauptamtliche Personal einstellen konnten“, hebt Schröder das außergewöhnliche Engagement der Nothelfer der ersten Stunde hervor.

Insgesamt 60 hauptamtliche Mitarbeiter hat die Einrichtung zurzeit, die Matthias Schröder persönlich über die Entscheidung der Bezirksregierung Arnsberg informierte. „Das ist natürlich ein schwerer Schlag für jeden einzelnen. Wir werden als christlicher Arbeitgeber unser Möglichstes tun, um unseren Mitarbeitern in dieser Situation zur Seite zu stehen“, sagt Schröder. Er hofft, dass die qualifizierten und nicht zuletzt durch die Arbeit der letzten zwei Jahre sehr erfahrenen Mitarbeiter neue Anstellungen im Bereich der Flüchtlingshilfe bekommen werden, denn die Betreuung und Integration der geflüchteten Menschen bleibt eine gesellschaftliche Herausforderung. „Wir haben seit dem überstürzten Anfang mit unseren Sozialpädagogen, Erziehern und Betreuern gute Betreuungsstrukturen in der Einrichtung aufgebaut, darunter Deutschkurse, Sport- und Freizeitangebote, qualifizierte Kinderbetreuung, ein Frauen-Café und vieles mehr. Vor allen wussten die Flüchtlinge, dass sie in unseren Mitarbeitern stets vertrauensvolle, engagierte und mehrsprachige Ansprechpartner für alle Sorgen und Anliegen haben“, erzählt Schröder.

Bewährte Strukturen werden zerschlagen

Gerne erinnert er sich zum Beispiel an die Austragung einer „Fußball-Weltmeisterschaft“ in Oerlinghausen. Die Bewohner haben Teams aufgeteilt nach den verschiedenen unter den Flüchtlingen vertretenen Nationalitäten gebildet und sind in einem Tournier gegeneinander angetreten. „Es war für alle ein großes friedliches Fest der verschiedenen Nationalitäten und Kulturen, das alle zusammengeschweißt hat. Unsere Mitarbeiter waren als Spieler, Schiedsrichter und Organisatoren mit dabei und haben nicht nur hier gezeigt, dass ihr Einsatz in Oerlinghausen für sie weit mehr als ein ‚Job‘ war, sondern sie mit Herzblut und unheimlich viel Engagement dabei waren“, so Schröder. Der Johanniter-Vorstand bedauert sehr, dass das Erreichte und die gute Arbeit bei der Ausschreibung durch die Bezirksregierung Arnsberg nicht berücksichtig wurde und die aufgebauten, erprobten Strukturen durch den Betreiberwechsel nun zerschlagen werden. Auswirkungen wird die Arnsberger Entscheidung auch auf das Integrationsunternehmen Lippischer Kombi-Service (LKS) haben. „LKS war ein sehr verlässlicher Partner und hat von Tag eins an, die Reinigung und Verpflegung der Einrichtung übernommen“, erklärt Schröder.

Landrat bedauert Entscheidung der Bezirksregierung

Auch der Landrat des Kreises Lippe Dr. Axel Lehmann bedauert die Entscheidung aus Arnsberg: „Der Kreis Lippe mit all seinen involvierten Fachbereichen und Töchtern, ob es das Gesundheitsamt, das Klinikum, die Kreispolizeibehörde oder das Ausländeramt waren, haben hervorragend mit den Johannitern zusammengearbeitet. Wir standen im stetigen und guten Austausch. Für uns war es daher auch keine Frage, als wir einen Betreiber für die Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge suchten, dass wir uns vertrauensvoll an die Johanniter gewandt und in Matthias Schröder und seinen Mitarbeitern starke Partner gefunden haben.“

Große ehrenamtliche Unterstützung durch Oerlinghauser Bürger

Dirk Becker, Bürgermeister der Stadt Oerlinghausen, zeigt sich enttäuscht von der Entscheidung. Er hätte die, wie er sagt, „vorbildliche Zusammenarbeit“ mit den Johannitern gerne fortgesetzt. „Natürlich war anfangs in der Stadt angesichts dieser großen Einrichtung auch Verunsicherung da. Aber die Johanniter konnten viele Bedenken nehmen und haben auch die zahlreichen Oerlinghauser Bürger, die sich engagieren wollten und dies immer noch tun, mit offenen Armen empfangen.“ Großzügige Hilfe gab es nicht nur in Form von Sach- und Kleiderspenden, die auch noch nach zwei Jahren regelmäßig in der Einrichtung abgegeben werden. Viele Bürger wurden auch in der Einrichtung aktiv, unterstützten die Mitarbeiter in der Kleiderkammer oder den pädagogischen Angeboten. „Hier haben Oerlinghauser gesehen: Da sind Menschen in Not, die unsere Hilfe brauchen, und haben angepackt. Wir und die rund 19.000 Flüchtlinge, die in den letzten zwei Jahren in Oerlinghausen betreut wurden, können dafür nur ‚Danke‘ sagen“, erklärt Schröder. Der Johanniter-Vorstand verspricht, dass die Johanniter bis zum letzten Tag ihre Arbeit mit vollen Einsatz und Herzblut zum Wohle der Bewohner leisten werden.

Bild- und Textquelle: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.